Physiotherapeutische
Kernstandards

Der Weltverband für Physiotherapie (WCPT) hat sich zum Ziel gesetzt, die Qualität der weltweiten medizinischen Versorgung durch die Förderung hoher Standards zur physiotherapeutischen Ausbildung und Praxis zu verbessern. Die Verpflichtung zur Gewährleistung hoher Standards und einer hohen Servicequalität spiegelt sich in den „Declarations of Principles and Position Statements“ (WCPT, 1995, „Grundsatzerklärungen und Positionspapiere“) wider. Die Grundsatzerklärungen sowie die Positionspapiere erläutern die ethischen Grundlagen, zu deren Einhaltung sich die Mitgliedsorganisationen kraft ihrer Mitgliedschaft im WCPT verpflichten.

Die Grundlagen besagen, dass ein/e Physiotherapeut:in folgende Pflichten und Rechte hat:

  • Respekt vor den Rechten und der Würde aller Menschen
  • Befolgung der im Land der Berufsausübung geltenden Gesetze und Vorschriften
  • Übernahme von Verantwortung für fundierte Entscheidungsfindungen
  • Erbringen einer ehrlichen, kompetenten und verantwortungsvollen beruflichen Leistung
  • Verpflichtung zur Erbringung von qualitativ hochstehenden Dienstleistungen gemäß der Richtlinien und Zielvorstellungen, die durch nationale Physiotherapieverbände festgelegt werden
  • Anspruch auf gerechte und angemessene Entlohnung für die erbrachten Leistungen
  • Bereitstellung genauer Informationen in Bezug auf das Berufsbild der Physiotherapie und das Leistungsangebot des/der Physiotherapeut:in für Klient:innen, andere Organisationen und die Öffentlichkeit
  • Beitrag zur Planung und Entwicklung von Leistungen, die auf den medizinischen Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet sind

Der WCPT misst der Entwicklung und Dokumentation vereinbarter Standards für die Praxis der Physiotherapie größte Bedeutung zu. Diese Standards dienen als Mittel, mit denen die Umsetzung der Grundsatzerklärungen gemessen und beurteilt werden kann. Diese Standards sind erforderlich, um

  • der Öfentlichkeit gegenüber zu signalisieren, dass der/die Physiotherapeut:in sich mit der Qualität der erbrachten Leistungen befasst und bereit ist, selbstregulierende Programme zu implementieren, um diese Qualität beizubehalten
  • Richtlinien für die berufliche Aus- und Weiterbildung zu formulieren
  • Richtlinien für den/die im Beruf stehende/n Physiotherapeut:in hinsichtlich der Erbringung und Evaluierung seiner/ihrer Leistungen bereitzustellen
  • staatlichen Stellen, Aufsichtsbehörden und anderen Berufsgruppen Hintergrundinformationen über das Berufsbild der Physiotherapie zu liefern.

Standards sollen Werte, Bedingungen und Ziele, die für eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Berufsstands erforderlich sind, widerspiegeln. Standards müssen auf gültigen Prinzipien basieren und messbar sein.

Standards sind darauf ausgelegt, den Berufsstand bei der Erfüllung der sich ändernden Bedürfnisse der Gesellschaft zu unterstützen. Standards sollten als Mittel der Kommunikation mit Angehörigen des Berufsstands, Arbeitgeber:innen, anderen Berufen im Gesundheitswesen, staatlichen Stellen und der  Öffentlichkeit dienen.

Wie wurden diese Standards entwickelt?

Als Reaktion auf die Richtlinien des WCPT hat die Arbeitsgruppe für berufliche Fragen des Europäischen Regionalverbands des WCPT die Entwicklung eines Werkzeugs erwogen, welches eine Analyse der Interaktion zwischen den einzelnen Physiotherapeut:innen oder den physiotherapeutischen Einrichtungen und den Patient:innen ermöglicht. Dadurch können bestehende Standards evaluiert und hohe Standards gefördert werden. Die Überprüfung von Richtlinien zur Berufsausübung in verschiedenen Ländern führte zu der Ansicht, dass die von der CSP (Chartered Society of Physiotherapy, UK) erarbeiteten Kernpraxisstandards sehr deutlich formuliert sind und sich ohne weiteres anpassen lassen, um vom Europäischen Regionalverband übernommen zu werden. Die Genehmigung zur Nutzung dieser Standards wurde von der CSP erteilt. Die Standards liefern deutliche Aussagen zur verlangten Qualität der Interaktion, die erforderlich ist, um die vom WCPT formulierten ethischen Grundlagen umzusetzen. Die Aussagen sind in Kriterien unterteilt, die beschreiben, wie die Standards erreicht werden. Die Kriterien sind messbar, sodass Patient:innen, Physiotherapeut:innen und andere die Qualität der Interaktion beurteilen können.

Wer sollte die Kernstandards anwenden?

Die Kernstandards sind ein Tool, das von Physiotherapeut:innen, Patient:innen, der Öffentlichkeit und anderen, die ein Interesse an der Bereitstellung oder Inanspruchnahme qualitativ hochwertiger physiotherapeutischer Leistungen haben, angewendet werden kann. Der Begriff Patient:in wird in den Kernstandards, im Audit-Tool sowie in den weiteren Dokumenten des Europäischen Regionalverbandes des WCPT als Oberbegriff verwendet und bezieht sich auf Einzelpersonen und Gruppen von Einzelpersonen, die von einer physiotherapeutischen Betreuung profitieren können. Er umfasst somit alle Personen und Gruppen, die man als Patient:innen und Klient:innen bezeichnet.

Die in diesem Dokument ausgeführten Standards können auf Studierende im Bereich der Physiotherapie und Physiotherapeut:innen zur Anwendung kommen. Der Europäische Regionalverband des WCPT ist sich darüber im Klaren, dass die Berufsbezeichnung „Physiotherapeut:in“ ausschließlich Personen vorbehalten ist, die Qualifikationen vorweisen können, die von den im WCPT organisierten nationalen Berufsverbänden anerkannt werden. Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass der Europäische Regionalverband in Abstimmung mit dem WCPT anerkennt, dass Physiotherapie eine Leistung bezeichnet, die einzig von einem/einer Physiotherapeut:in oder unter deren/dessen Anleitung und Aufsicht stehenden Studierenden erbracht wird. Sie umfasst die Befundaufnahme, Diagnose, Planung, Intervention und Evaluierung.

Die Kernstandards gelten für jede/n einzelnen Physiotherapeut:in und unterliegen seiner/ihrer Verantwortung. Das Audit-Tool umfasst eine Prüfung der Patient:innenunterlagen, der kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung, Richtlinien zum Prozess der Prüfung durch Kolleg:innen, einen Fragebogen zum Patient:innen-Feedback und ein Prüfwerkzeug für Leistungsstandards.

Für wen gelten die Standards?

Diese Standards gelten für alle Physiotherapeut:innen, unabhängig davon, ob es sich um Berufsanfänger:innen oder hoch qualifizierte Spezialist:innen handelt, und ob sie in direktem oder indirektem Kontakt mit den Patient:innen, Betreuungspersonen und anderen Kolleg:innen ihres Berufstands stehen. Darüber hinaus gelten diese Standards auch für Studierende der Physiotherapie, wobei nicht alle Standards für Studierende Geltung haben.

Der Umfang, in dem die einzelnen Standards für sie gelten, wird vor Ort festgelegt, beispielsweise durch das Ausmaß, in dem ihnen Aufgaben und Verantwortungsbereiche von einem/einer ausgebildeten Physiotherapeut:in zugewiesen werden.

Welchen Status haben diese Standards?

Bei diesen Standards handelt es sich nicht um Mindeststandards oder Maximalstandards, sondern um Standards, die als erreichbar betrachtet werden. Es handelt sich um Standards, die jede/r Physiotherapeut:in als Teil seiner/ihrer beruflichen Verantwortlichkeit anstreben sollte. Eventuell erforderliche Änderungen in der praktischen Berufsausübung, die zur Erreichung der Standards notwendig sind, unterliegen der Zuständigkeit des/der einzelnen Physiotherapeut:in.

Es können organisatorische Hindernisse bei der Durchführung dieser Standards auftreten. Dazu gehört beispielsweise ein beschränkter Zugang zu Nachweisquellen im Hinblick auf die wirksame Berufsausübung für Physiotherapeut:innen, die in Gegenden ohne gute Infrastruktur tätig sind. In solchen Situationen sollten die Standards verwendet werden, um darauf hinzuweisen, dass alle Physiotherapeut:innen und physiotherapeutischen Einrichtungen in der Lage sein sollten, alle Standards zu erreichen, und das Systeme eingeführt werden müssen, um dies zu ermöglichen.

Europäische Kernstandards in der Physiotherapie

die der Weltverband für Physiotherapie (World Confederation for Physical Therapy, WCPT) definiert hat.

Respekt für die Person

Standard 1

Die Anerkennung des/der Patient:in als eigenständige Person steht im Mittelpunkt der physiotherapeutischen Beziehung und wird zu jeder Zeit demonstriert.

Kriterien

1.1 Der/die Physiotherapeut:in berücksichtigt die Lebensweise sowie die kulturellen Orientierungen und Praktiken einer Person und sollte in seinem/ ihrem Umgang mit ihr von Fakten, nicht von Annahmen ausgehen.

Leitlinie: Physiotherapeut:innen sollen jede/n Patient:in als Person respektieren und entsprechende aktive Handlungen setzen. Der/die Physiotherapeut:in soll den sozialen, beruflichen, persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines/r Patient:in sowie seiner/ihrer Kultur, ethnischen Zugehörigkeit, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Religion, Behinderung, Alter, Ansichten, Werten, Fähigkeiten und mentalen Gesundheit Rechnung tragen, da sich diese auf das physische und psychologische Wohlbefinden der Patient:innen auswirken können.

1.2 Der/die Physiotherapeut:in ist höflich und rücksichtsvoll.

Leitlinie: Der/die Physiotherapeut:in muss sich der Auswirkung der eigenen Ansichten und Wertvorstellungen auf seine/ihre Praxis bewusst sein und dies berücksichtigen.

1.3 Der/die Patient:in wird so namentlich angesprochen, wie er/sie es wünscht.

Leitlinie: Physiotherapeut:innen müssen sich der kulturellen Unterschiede bei Namenssystemen bewusst sein. Die Patient:innen sollten nach ihrem „Vor- und Familiennamen“ gefragt werden.

1.4 Dem/Der Patient:in wird der Name des/der Physiotherapeut:in, der/die für den jeweiligen Versorgungsabschnitt verantwortlich ist, mitgeteilt.

1.5 Der/die Patient:in weiß über die Rolle jedes einzelnen Mitglieds des Physiotherapie-Teams sowie der anderen Gesundheitsfachkräfte, die an seiner/ ihrer Versorgung beteiligt sind, Bescheid.

Leitlinie: Patient:innen sollten informiert werden, wenn sie von einem/einer Physiotherapie-Assistent:in oder einem/einer Studierenden behandelt werden.

1.6 Die Privatsphäre und die Würde der Patient:innen werden respektiert.

Leitlinie: Untersuchungen, Diagnosen und Behandlungen erfordern eine geschützte Umgebung. Wo dies nicht möglich ist, sollte darauf geachtet werden, dass Gespräche nicht mitgehört werden. Intime Untersuchungen erfordern möglicherweise mehr Privatsphäre, und die Patient:innen sollten gefragt werden, ob sie die Anwesenheit eines Familienmitglieds oder einem/einer Freund:in als Beistand wünschen. Physiotherapeut:innen müssen beachten, dass die Privatsphäre je nach Kultur unterschiedliche Bedeutungen haben kann.

1.7 Die Inanspruchnahme einer Begleitperson wird angeboten, wo angebracht.

Leitlinie: Dies variiert je nach lokalen Bestimmungen, Art der Untersuchung und den Wünschen des/der Patient:in.

Informierte Einwilligung

Standard 2

Die Patient:innen erhalten die relevanten Informationen über die vorgeschlagene Physiotherapie, wobei auf ihr Alter, ihre emotionale Verfassung und ihre kognitiven Fähigkeiten Rücksicht genommen wird, um die Abgabe einer gültigen/informierten Einwilligung zu ermöglichen.

Leitlinie: Eine detaillierte Beschreibung der Art und des Zwecks einer vorgeschlagenen Intervention bzw. einer Behandlung reicht für die Zwecke einer gültigen/informierten Einwilligung aus, wobei der/ die Physiotherapeut:in die Pflicht hat, den/die Patient:in über alle potenziellen und bedeutenden Risiken, über Nutzen und Vorteile sowie über wahrscheinliche Ergebnisse der Behandlung aufzuklären. Bei Patient:innen, die möglicherweise nicht in der Lage sind, eine informierte Einwilligung zu geben, z.B. Kinder bei denen die Einwilligung von den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten eingeholt werden kann, bewusstlosen Patient:innen, Patient:innen mit schwer beeinträchtigter mentaler Gesundheit, verwirrten Patient:innen, und manchen Patient:innen mit Lernbehinderungen, kann die Einwilligung wenn möglich von den gesetzlichen Vertreter:innen, dem Pflegepersonal oder anderen Personen eingeholt werden, deren Aufgabe es ist, im Namen des/der Patient:in zu handeln. In manchen Ländern ist es möglich, die Einwilligung von Verwandten oder Pflegepersonal im Namen der Patient:innen einzuholen, in anderen wird die Entscheidung zur Behandlung von Fachkräften im besten Interesse der Patient:innen getroffen. Die Grundsatzerklärung des WCPT sollte in Zusammenhang mit diesen Standards beachtet werden.

Kriterien

Die gültige/informierte Einwilligung des /der Patient:in wird eingeholt, bevor eine Untersuchung/ eine Behandlung begonnen wird.

2.1 Die Behandlungsoptionen, einschließlich bedeutender Heilwirkungen, Risiken und Nebenwirkungen, werden mit dem/der Patient:in besprochen.

Leitlinie: Unter Umständen muss diese Information schriftlich und in der geeigneten Sprache und Form vermittelt werden. Beispiel: Ein/eine Physiotherapeut:in, der/die eine Elektrotherapie erwägt, würde mit dem/der Patient:in die nachgewiesene Wirksamkeit dieser Therapie besprechen, aber auch das sehr kleine Risiko einer Verletzung durch Verbrennungen klar benennen.

2.2 Dem/Der Patient:in wird die Möglichkeit gegeben, Fragen zum besseren Verständnis zu stellen.

Leitlinie: Die Patient:innen brauchen möglicherweise Zeit, um die Informationen zu verarbeiten und sollten die Möglichkeit erhalten, Fragen zu stellen.

2.3 Der/die Patient:in wird über sein/ihr Recht informiert, die Physiotherapie jederzeit abzulehnen, ohne dass sich dies auf die zukünftige Behandlung auswirkt.

2.4 Wenn der/die Patient:in die Physiotherapie ablehnt, wird dies in der Akte des/der Patient:in zusammen mit den Gründen (wenn diese bekannt sind) vermerkt.

2.5 In den Einrichtungen, die Praxisplätze für Studierende anbieten, wird der/die Patient:in darüber informiert, dass er/sie möglicherweise von einem/einer Physiotherapiestudierenden oder einem/einer Physiotherapieassistent:in behandelt wird und erhält das Recht, dies abzulehnen und von einem/einer qualifizierten Physiotherapeut:in behandelt zu werden.

2.6 Der/Die Patient:in wird darüber informiert, dass seine/ihre Behandlung von einem/einer Studierenden beobachtet werden kann und erhält das Recht, dies abzulehnen.

2.7 Die Zustimmung des/der Patient:in zum Behandlungsplan wird in der Akte des/der Patient:in dokumentiert.

Leitlinie: Das Einholen von Einwilligungen ist ein laufender Prozess im gesamten Versorgungsverlauf. (Vgl. Standard 8, Kriterium 8.1.)

2.8 Physiotherapeut:innen müssen nach eigenem Ermessen entscheiden, in welchen Fällen eine schriftliche Einwilligung nötig ist – etwa bei invasiven oder hochriskanten Verfahren.

2.9 Wo Formblätter für die schriftliche Einwilligung verwendet werden, wird eine Kopie bei der Akte des/der Patient:in verwahrt.

2.10 Wenn möglich sollten die Patient:innen Informationsblätter erhalten, um den Einwilligungsprozess zu vereinfachen. Eine Notiz über die gegebene Information sollte in die Akte des/der Patient:in aufgenommen werden.

Vertraulichkeit

Standard 3

Informationen, die der/die Physiotherapeut:in von der/dem Patient:in erhält, wird mit strengster Vertraulichkeit behandelt.

Leitlinie: Im Zusammenhang mit diesen Standards sollten die Verhaltensregeln der jeweiligen Mitgliedsorganisationen beachtet werden, da diese genauere Leitlinien zu dieser Frage beinhalten.

Kriterien

3.1 Persönliche Details werden in einer vertraulichen Umgebung besprochen.

Leitlinie: Dies gilt im direkten, persönlichen Kontakt mit den Patient:innen, Pflegepersonen oder anderen Gesundheitsfachkräften. Besonders acht zu geben ist aber auch dann, wenn über persönliche Details des/der Patient:in z.B. am Telefon gesprochen wird.

3.2 Die schriftliche Einwilligung von den Patient:innen wird eingeholt, bevor identifizierbare klinische Informationen, Fotografien, Videos etc. für Lehrzwecke, Publikationen o.Ä. verwendet werden.

3.3 In Abstimmung mit dem/der Patient:in kann der/die Physiotherapeut:in anderen Gesundheitsfachkräften Zugang zu den Physiotherapie-Unterlagen der Patient:innen gewähren, wenn dies dem/der Patient:in dienlich ist.

Leitlinie: Die vertraulichen Informationen eines/einer Patient:in bleiben auch nach dem Ableben einer Person vertraulich. In diesen Fällen muss die Einwilligung von der/dem Nachlassverwalter:in oder dem/der nächsten Verwandten eingeholt werden.

3.4 Es gibt Fälle, bei denen auf Informationen ohne Einwilligung zugegriffen werden kann.

Leitlinie: Dies ist besonders wichtig, wenn Informationen von einem/einer Arbeitgeber:in angefordert werden, der/die Einzelheiten über einen/eine Mitarbeiter:in erfahren will. Bei Rechtsangelegenheiten muss die schriftliche Einwilligung eines/einer Patient:in eingeholt werden, bevor irgendwelche Informationen weitergegeben werden. Die Patient:innen sollten vollständig über die angeforderten und in der Folge weitergegebenen Informationen unterrichtet werden.

3.5 Personenbezogene Patient:inneninformationen werden sicher übertragen. Es gibt Fälle, wo Gerichtsentscheide Vorrang gegenüber der Vertraulichkeit haben.

3.6 Es werden Schritte unternommen, um die Vertraulichkeit gespeicherter oder in elektronischen Formaten übertragener personenbezogener Patient:innendaten sicherzustellen.

3.7 Wo die Vertraulichkeit nicht garantiert werden kann, sollte der/die Patient:in davon informiert werden und die Möglichkeit erhalten, Informationen nicht bekannt zu geben.

Diagnose

Standard 4

Um wirksame physiotherapeutische Interventionen durchführen zu können, werden Informationen über die verschiedenen Behandlungsoptionen auf Grundlage der besten verfügbaren Nachweise identifiziert.

Leitlinie: Für die Beschaffung dieser Informationen kommen eine Reihe verschiedener Quellen in Frage, etwa der/die Patient:in, Verwandte/Pflegepersonen, andere Gesundheitsfachkräfte, Bibliotheken, elektronische Quellen, Fachzeitschriften und lokale Bestimmungen.

Kriterien

4.1 Der/die Physiotherapeut:in setzt sich mit den Informationen über wirksame Interventionen für das Leiden des/der Patient:in auseinander und unterzieht sie einer kritischen Prüfung.

Leitlinie: folgende Quellen kommen u.a. in Betracht:

  • Forschung
  • klinische Leitlinien und andere kurz gefasste Nachweise der Wirksamkeit
  • Interessenvertretungen
  • Leitlinien auf nationaler Ebene
  • lokale Standards und Protokolle
  • Information aus Ergebnismessungen
  • Patient:innenorganisationen und -gruppen
  • Expertisen
  • Reflexion zur eigenen Praxis

Standard 5

Informationen über den/die Patient:in und das bei ihm/ihr auftretende Problem werden gesammelt.

Leitlinie: Wenn möglich sollten die gesammelte Informationen den Werten und Bedürfnissen des/der Patient:in und ihrer wichtigsten Pflegepersonen Rechnung tragen. Hintergrundinformationen über das bei dem/der Patient:in/der Forschungsergebnissen oder Nachweisen gewonnen worden.

Kriterien

5.1 Es gibt schriftliche Unterlagen über das Sammeln der Daten. Diese beinhalten:

  • die Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse seitens des/der Patient:in
  • die Erwartungen des/der Patient:in an die physiotherapeutische Intervention
  • die demographischen Details des/der Patient:in.
  • die auftretenden Leiden/Probleme
  • die Krankengeschichte
  • laufende medikamentöse und andere Behandlungen
  • Kontraindikationen/Vorsichtsmaßnahmen/Allergien
  • soziale und Familiengeschichte/Lebensweise Leitlinie: Dies schließt die Auswirkungen beeinträchtigter Aktivität und Teilhabe nach ICF ein.
  • relevante Untersuchungen

5.2 Es gibt schriftliche Unterlagen über eine physische Untersuchung, die zur Gewinnung jener messbaren Daten durchgeführt wird, anhand derer die physiotherapeutischen Bedürfnisse des/der Patient:in analysiert werden können.

Leitlinie: Der Umfang der physischen Untersuchung kann durch das klinische Fach oder das am/an der Patient:in zum Zeitpunkt der Untersuchung auftretende Leiden bestimmt werden. Dies beinhaltet:

  • Beobachtung
  • Einsatz spezifischer Diagnose-Werkzeuge bzw. -Techniken, einschließlich standardisierter Ergebnismessungen
  • Palpation, manuelle Untersuchung

5.3 Die Ergebnisse der klinischen Diagnose werden dem/der Patient:in erklärt.

5.4 Falls eine der erforderlichen Information fehlt oder nicht verfügbar ist, werden die Gründe dafür dokumentiert.

Standard 6

Unter Rücksichtnahme auf die Probleme des/der Patient:in wird ein veröffentlichtes, standardisiertes, gültiges, verlässliches und aussagekräftiges Ergebnismessungsverfahren eingesetzt, um die Veränderungen in der gesundheitlichen Verfassung des/der Patient:in zu evaluieren.

Leitlinie: Die CSP-Datenbank der Ergebnismessungen kann dabei als Ressource verwendet werden.

Kriterien

6.1 Der/die Physiotherapeut:in wählt eine Ergebnismessung, die für die Probleme des/der Patient:in relevant ist.

Leitlinie: Die gewählte Ergebnismessung sollte auch die zu evaluierenden Komponenten der Rehabilitation umfassen. Der/Die Physiotherapeut:in wählt jene Ergebnismessung, die für die Behandlung am besten geeignet ist.

6.2 Der/Die Physiotherapeut:in stellt sicher, dass die Ergebnismessung für den/die Patient:in akzeptabel ist.

Leitlinie: Die Ergebnismessung sollte dem/der Patient:in erklärt werden (vgl. Standard 2).

6.3 Der/Die Physiotherapeut:in wählt eine Ergebnismessung, deren Anwendung, Durchführung und Interpretation er/sie beherrscht.

6.4 Der/Die Physiotherapeut:in trägt dem Wohlbefinden des/der Patient:in während der Durchführung der Ergebnismessung Rechnung.

6.5 Schriftliche Anweisungen im Handbuch des/der Hersteller:in, im Testhandbuch oder den Service- Richtlinien werden bei der Durchführung und Auswertung der Ergebnismessung befolgt.

6.6 Das Ergebnis der Messung wird sofort aufgezeichnet.

6.7 Am Ende des Versorgungsabschnitts wird das gleiche Messverfahren eingesetzt wie zu geeigneten Zeitpunkten während des Versorgungsabschnitts.

Analyse

Standard 7

Nach der Sammlung und der Bewertung der Informationen wird eine Analyse durchgeführt, um einen Behandlungsplan zu formulieren.

Kriterien

7.1 Es gibt einen Nachweis für einen klinischen Argumentationsprozess (clinical reasoning).

Leitlinie: Das Peer-Review-Verfahren (siehe Dokument über Prüfungstools) bietet die Möglichkeit der Evaluierung des klinischen  Überlegungsprozesses.

7.2 Es gibt schriftliche Unterlagen über die festgestellten Bedürfnisse/Probleme, die aufgrund der gesammelten Information formuliert werden (vgl. Standards 4 und 5).

Leitlinie: Hier kann die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO herangezogen werden.

7.3 Subjektive Messwerte werden bestimmt, aufgezeichnet und evaluiert.

Leitlinie: Diese Messwerte können etwa Beschreibungen von Schmerzen sowie von Stärke, Art, Ort und Tagesveränderungen des auftretenden Leidens durch den/die Patient:in sein.

7.4 Objektive Messwerte werden bestimmt, aufgezeichnet und evaluiert.

Leitlinie: Quantifizierbare Messungen wie Bewegungsradius und Extremitätenumfang werden dabei berücksichtigt.

7.5 Eine physiotherapeutische Diagnose mit den relevanten Anzeichen und Symptomen wird aufgezeichnet.

Leitlinie: Eine medizinische Diagnose ist eine klinische Entscheidung, die aufgrund einer Bewertung der Anzeichen und Symptome an dem/der Patient:in getroffen wird. Sie benennt im Allgemeinen die vorhandene Störung, macht jedoch keine Annahmen bezüglich der Auswirkungen der Störung auf die Funktion. Der Begriff „physiotherapeutische Diagnose“ wird entweder unabhängig von einer medizinischen Diagnose oder im Zusammenhang mit dieser bestimmt. „Physiotherapeutische Diagnose“ bezieht sich auf das auftretende physiotherapeutische Problem. Sie wird im Allgemeinen als Einschränkung der Funktionsfähigkeit eines/einer Patient:in durch ein Leiden ausgedrückt.

7.6 Falls der/die Patient:in und der/die Physiotherapeut:in beschließen, dass keine Behandlung erfolgt, wird diese Information gegebenenfalls an den/die Überweiser:in übermittelt.

7.7 Die relevanten klinischen Untersuchungen/ Ergebnisse, die den Diagnose- und Managementprozess erleichtern, werden dokumentiert und evaluiert.

Leitlinie: Diese Tests können von einem/einer Physiotherapeut:in oder einer Gesundheitsfachkraft angefordert werden.

7.8 Die Erwartungen des/der Patient:in sollten festgestellt und dokumentiert werden.

Leitlinie: Hier kann die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO herangezogen werden. (Patient:innen haben große Schwierigkeiten bei der Formulierung von Zielen. Die Bedeutung der Erwartungen seitens der Patient:innen ist ausführlich belegt.)

Kommunikation mit Patient:innen und Pflegepersonen

 

Standard 12

 

Physiotherapeut:innen kommunizieren effektiv mit den Patient:innen und/oder deren Pflegepersonen/Verwandten.

 

Leitlinie: Physiotherapeut:innen sollten, wo notwendig und praktikabel, von Dolmetschdiensten Gebrauch machen.

 

Kriterien

 

12.1 Der/Die Physiotherapeut:in hört aktiv zu und gibt dem/der Patient:in die Gelegenheit, effektiv zu kommunizieren.

Leitlinie: Besonderes Augenmerk sollte der nonverbalen Kommunikation geschenkt werden, denn auch diese kann die Interaktion beeinflussen.

 

12.2 Physiotherapeut:innen kommunizieren mit den Patient:innen offen und ehrlich.

Leitlinie: In manchen Fällen, etwa bei der Versorgung Sterbender, muss u. U. mit dem ganzen Team ein gemeinsamer Zugang zur Kommunikation vereinbart werden.

 

12.3 Die gesamte Kommunikation, die schriftliche ebenso wie die mündliche, ist klar und eindeutig, für den/die Patient:in leicht verständlich, und in einer Reihe von verschiedenen Formaten verfügbar.

Leitlinie: Abkürzungen und Jargon sollten vermieden werden. Dolmetscher:innen sollten für jene verfügbar sein, die sie benötigen. Bei der Suche eines/einer geeigneten Dolmetscher:in sollte der/die Physiotherapeut:in sich der kulturellen Anforderungen, des Alters und des Verhältnisses des/der Dolmetscher:in zum/zur Patient:in bewusst sein. Wenn es keine Alternative zum Einsatz eines Familienmitglieds gibt, sollte die Einwilligung des/der Patient:in eingeholt werden.

 

12. 4 Die Kommunikationsform wird auf die Bedürfnisse des/der Patient:in abgestimmt.

Leitlinie: Die Kommunikation sollte der Kultur, der Sprache und den physischen und kognitiven Bedürfnissen einer Person Rechnung tragen. Der Einsatz alternativer Kommunikationsformen wie Gesang, Video- und Audiokassetten und Bildern sollte erwogen werden.

 

12.5 Der/Die Physiotherapeut:in überprüft das Verständnis der Informationen durch den/die Empfänger:in.

 

12.6 Kommunikation über sensible Themen erfolgt in einer geschützten Umgebung.

 

12.7 Information über Selbsthilfegruppen und Netzwerke zu spezifischen Krankheitsbildern ist verfügbar.

Leitlinie: Der/Die Physiotherapeut:in sollte wissen, wo nicht ohne weiteres auffindbare Informationen erhältlich sind.

 

12.8 Bevor vertrauliche Details mit Pflegepersonen, Freunden oder Verwandten besprochen werden wird die Einwilligung des/der Patient:in eingeholt.

 

12.9 Dem/Der Patient:in wird eine Kopie des Entlassungs- bzw. Übergabebriefes angeboten.

 

Kommunikation mit anderen Fachkräften

 

Standard 13

 

Physiotherapeut:innen kommunizieren effektiv mit anderen Gesundheitsfachkräften und anderen relevanten Fachkräften, um eine effektive und effiziente Behandlung des/der Patient:in zu gewährleisten.

 

Leitlinie: Dieser Standard gilt für die Kommunikation mit anderen Gesundheitsfachkräften und mit jenen, die ein klinisches Interesse an der Versorgung des/der Patient:in haben. Dies könnten zum Beispiel die Mitglieder eines multidisziplinären Teams, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen oder Arbeitsmediziner:innen sein, die innerhalb oder außerhalb der Gesundheitsfürsorge tätig sind. Die Grundsatzerklärung des WCPT (1995), Abschnitt über „Beziehungen zu Mediziner:innen und Beziehungen zu anderen Gesundheitsfachkräften“, ist in diesem Zusammenhang zu beachten.

 

Kriterien

 

13.1 Physiotherapeut:innen halten sich an lokal vereinbarte Überweisungssysteme.

Leitlinie: Diese Systeme definieren die Verfahren für die Annahme von Überweisungen und die  Überweisung an andere Fachkräfte.

 

13.2 Physiotherapeut:innen stellen Informationen für multidisziplinäre Diagnosen, geplante Übergaben der Versorgung und Entlassungen zur Verfügung.

 

13.3 Physiotherapeut:innen einigen sich mit dem/der Patient:in, dem multidisziplinären Team, den Pflegepersonen und der Familie auf gemeinsame Ziele.

Leitlinie: Die Kommunikation mit anderen an der Pflege beteiligten Gesundheitsfachkräften sollte schriftlich festgehalten werden. Als Nachweise kommen z.B. Briefe oder Protokolle von Telefongesprächen, Fallbesprechungen, multidisziplinären Team-Meetings und Weiterüberweisungen in Frage.

 

13.4 Physiotherapeut:innen sind sich über die Rollen der anderen Mitglieder des multidisziplinären Teams im Klaren.

 

13.5 Physiotherapeut:innen leisten ihren Beitrag zu multiprofessionellen Akten und gegebenenfalls zu Unterlagen im Patient:innenbesitz.

 

13.6 Physiotherapeut:innen informieren andere über ihre spezifische Rolle.

Leitlinie: Dies kann in mündlicher, schriftlicher oder elektronischer Form erfolgen.

 

13.7 Die an andere Fachkräfte übermittelte Information ist direkt für deren Rolle in der Versorgung des/der Patient:in relevant.

Leitlinie: Siehe auch Kernstandards 3.3 und 11.4.

 

13.8 Physiotherapeut:innen kommunizieren mit anderen Gesundheitsfachkräften und anderen relevanten Fachkräften, die an der Versorgung eines/einer Patient:in Anteil haben.

 

13.9 Physiotherapeut:innen kommunizieren die relevanten Informationen unverzüglich.

 

13.10 Der/Die Physiotherapeut:in wählt die am besten geeignete Form der Kommunikation.

 

13.11 Die verwendete Sprache sollte von dem/der Empfänger:in leicht zu verstehen sein.

 

13.12 Falls elektronische Kommunikation verwendet wird, z.B. bei der Übersendung/dem Erhalt von Überweisungen, müssen Maßnahmen getroffen werden, welche die Sicherheit und Vertraulichkeit dieser Mitteilungen gewährleisten.

 

Dokumentation

 

Standard 14

 

Um das Patient:innenmanagement zu erleichtern und gesetzlichen Erfordernissen zu entsprechen, muss für jeden/jede Patient:in eine Akte angelegt werden.

Leitlinie: Die Akten sollten Informationen über jede Phase der Versorgung/Intervention enthalten. Akten können uniprofessionell, multiprofessionell, elektronisch oder in Papierform geführt werden.

 

Kriterien

 

14.1 Die Krankenakte wird mit dem ersten Kontakt angelegt.

 

14.2 Krankenakten werden sofort nach dem Kontakt mit dem/der Physiotherapeut:in oder vor dem Ende des Tages, an dem der Erstkontakt stattfindet, geschrieben.

 

14.3 Krankenakten sind zeitnah.

Leitlinie: In manchen Fällen kann es je nach lokalen Gegebenheiten wichtig sein, die Zeit der Durchführung der Behandlung festzuhalten. In diesen Fällen sollte die Prüfung der Einhaltung der Standards darauf Rücksicht nehmen. Akten werden nach der Niederschrift nicht ergänzt. Echte Auslassungen sollten zum Zeitpunkt der Feststellung der Auslassung festgehalten werden.

 

14.4 Krankenakten erfüllen folgende Anforderungen:

  • Prägnanz
  • Leserlichkeit
  • logische Sequenz
  • Datumsangabe
  • Genauigkeit
  • Angemessene Angabe von Details der durchgeführten Intervention
  • Unterschrift nach jedem Eintrag/jeder Sitzung. Leitlinie: Wenn Studierende die Diagnose und/oder die Behandlung durchführen, sollten sowohl der/die Studierende als auch der/die Betreuer:in die Akte unterschreiben.
  • Angabe des Namens in Druckschrift nach jedem Eintrag/jeder Sitzung. Leitlinie: Dies ist notwendig, damit der/die Physiotherapeut:in problemlos aufgefunden werden kann, falls die Unterschrift nicht leserlich ist. Die Akten müssen möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt eingesehen werden, wenn der/die Physiotherapeut:in vielleicht schon wo anders tätig ist. Falls Patient:innen ständig von dem/der gleichen Physiotherapeut:in behandelt werden, reicht es aus, den Namen auf jeder Seite der Akte einmal in Druckschrift anzubringen. Bei elektronischen Aufzeichnungen muss ein  äquivalentes System zur Identifizierung der/des Autor:in bestehen.
  • keine Verwendung von Korrekturflüssigkeit
  • Verwendung von nicht löschbarer, kopiertauglicher Tinte
  • Fehler werden mit einem einzelnen Strich durchgestrichen und mit Initialen versehen
  • jede Seite der Krankenakte wird nummeriert
  • der Name der/des Patient:in sowie entweder das Geburtsdatum, die Akten- bzw. Archivnummer oder die Ausweisnummer der/des Patient:in werden auf jeder Seite der Akte vermerkt
  • Abkürzungen werden nur innerhalb von lokal vereinbarten Abkürzungs-Glossaren verwendet

 

14.5 Die Unterlagen werden ordnungsgemäß  gegengezeichnet.

Leitlinie: Der/Die qualifizierte Physiotherapeut:in bleibt während der ganzen Zeit für das Patient:innenmanagement verantwortlich, auch wenn einzelne Tätigkeiten an Assistent:innen delegiert werden. Wenn der/die Physiotherapeut:in von Assistent:innen oder Studierenden durchgeführte Tätigkeiten kontrolliert, muss jeder Eintrag von dem/der Physiotherapeut:in gegengezeichnet werden.

 

14.6 Wenn Diktiergeräte zur Aufzeichnung von Informationen verwendet werden, dann müssen die Niederschriften eine Datums- und Zeitangabe sowie Angaben über die klinische Kraft/die Schreibkraft aufweisen. Diktierte Unterlagen müssen die gleichen Detailinformationen beinhalten wie schriftliche Akten oder handschriftliche Unterlagen.

 

Standard 15

 

Die Aufbewahrung der Krankenakten erfolgt nach Maßgabe der bestehenden Bestimmungen und der geltenden Gesetze.

Leitlinie: Das Führen von Akten ist ein wesentlicher Bestandteil der Versorgungsverantwortung des/der Physiotherapeut:in gegenüber dem/der Patient:in. Die Akten sollten Informationen über jede Phase der Versorgung/der Intervention beinhalten. Die Akten können uniprofessionell oder multiprofessionell sein. Akten können in elektronischem Format oder in Papierform geführt werden.

 

Kriterien

 

15.1 Die Krankenakten werden sicher verwahrt

Leitlinie: Dies bezieht sich auf die individuelle Verantwortung des/der Physiotherapeut:in für Vertraulichkeit. Es gilt für die gesamte Information über den/die Patient:in in Form von schriftlichen oder digitalen Aufzeichnungen, Tonbändern, E-Mails, Faxen, Videos, Fotografien, oder anderen elektronischen Medien. In mobilen Arbeitsumgebungen sollten die Krankenakten von dem/der Physiotherapeut:in mitgenommen und nicht in einem leeren Fahrzeug zurückgelassen werden.

 

15.2 Physiotherapeut:innen halten sich an lokale IT-Sicherheitsbestimmungen.

Leitlinie: Falls der/die Physiotherapeut:in Unterlagen über Nacht zu Hause verwahren muss, sollten diese in einem verschlossenen Behälter aufbewahrt werden.

 

15.3 Physiotherapeut:innen halten sich an die lokalen/nationalen Bestimmungen, wenn der/die Patient:in Einsicht in seine/ihre Krankenakte fordert.

Leitlinie: Änderungen an einer Computerdatei sollten von entsprechend ausgebildeten Personen identifiziert werden können.

 

15.4 Es liegt ein Dokument vor, aus dem eindeutig hervorgeht, wer Aufbewahrungs- und Zugriffsrechte für die Krankenakten hat.

 

15.5 Krankenakten werden auf sichere Art vernichtet, wenn die nach den lokalen Bestimmungen und nationalen Gesetzen erforderliche Aufbewahrungszeit abgelaufen ist.

 

15.6 Für klinische Unterlagen auf Tonband ist eine Sicherungskopie in Papierform verpflichtend.

Sicherheit des/der Physiotherapeut:in und des/der Patient:in

Standard 16

 

Patient:innen werden in einer Umgebung behandelt, die für die Patient:innen, Physiotherapeut:innen und Pflegepersonen sicher ist.

 

Allgemeine Leitlinie: Dieser Standard betrifft die Praxisbereiche, in denen Physiotherapeut:innen Verantwortung für die Gesundheit und Sicherheit ihrer Patient:innen, Kolleg:innen und anderer Personen tragen. Bitte beachten Sie diesbezüglich auch die lokalen Bestimmungen und nationalen Gesetze.

 

Kriterien

 

16.1 Vor jedem Vorgang bzw. jeder Behandlung eines/einer Patient:in wird eine Risikobewertung durchgeführt.

Leitlinie: Dies umfasst auch eine Risikobewertung für die geplante manuelle Behandlung, Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen. Unter Umständen muss auch auf nasse Böden u.Ä. Acht gegeben werden, die eine Gefahr für den/die Patient:in darstellen könnten, und es muss sichergestellt werden, dass geeignete Kleidung und geeignetes Schuhwerk getragen werden. Die Risikobewertung sollte den/die Patient:in, den/die Physiotherapeut:in, die vorgeschlagene Behandlungstechnik und die Umgebung berücksichtigen.

 

16.2 Auf die Ergebnisse der Risikobewertung folgen entsprechende Handlungen, um die festgestellten Gefahren zu minimieren.

 

16. 3 Die Patient:innen werden darüber informiert, wie sie während einer Behandlung Hilfe herbeirufen können.

 

16.4 Der/Die Physiotherapeut:in ist in der Lage, Nothilfe anzufordern, wenn dies erforderlich ist.

Leitlinie: Dies kann von Systemen zum Herbeirufen von Kolleg:innen, Pflegepersonen oder Notfallteams in Spitälern bis zur Wahl von Notrufnummern in mobilen Arbeitsumgebungen oder Privatpraxen reichen.

 

16.5 Die Maßgaben der Umgebungs- und persönlichen Hygiene sowie der Verfahren zur Infektionsvermeidung werden eingehalten.

 

16.6 Unerwünschte und unerwartete Vorfälle, oder Vorfälle, welche die Sicherheit des/der Patient:in beeinträchtigen können (oder beeinträchtigt haben), werden berichtet, wobei die entsprechenden Verfahren auf lokaler und nationaler Ebene sowie die entsprechenden Bestimmungen der Berufsverbände eingehalten werden.

 

Alleine arbeitende Physiotherapeut:innen

Standard 17

 

Physiotherapeut:innen setzen Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Risiken des Alleine-Arbeitens minimiert werden.

Leitlinie: Dies sollte im Zusammenhang mit lokalen Bestimmungen und nationalen Gesetzen gelesen werden.

 

Kriterien

 

17.1 Die Bestimmungen und Verfahren für alleine arbeitende Physiotherapeut:innen werden immer eingehalten.

Leitlinie: Der/Die Physiotherapeut:in sollte die Bestimmungen und Verfahren gelesen haben und wissen, wie er/sie im Bedarfsfall darauf zugreifen kann.

 

17.2 Zwischen außer Haus arbeitenden Physiotherapeut:innen und ihrem Stützpunkt bestehen Kommunikationsverbindungen.

Leitlinie: Dies kann mit Mobiltelefonen erfolgen, oder anhand einer Liste, die bei einem/einer Kolleg:in hinterlegt wird, und auf der Namen, Adressen und Telefonnummern der besuchten Patient:innen verzeichnet sind. Physiotherapeut:innen müssen sicherstellen, dass jemand über ihre täglichen Arbeitsabläufe unterrichtet ist.

 

17.3 Wenn es die Risikobewertung erforderlich macht, führen Mitarbeiter:innen ein Alarmgerät mit.

Leitlinie: Das bestehende Risiko sollte bewertet werden und eine Entscheidung getroffen werden, ob ein Alarmgerät erforderlich ist. Beispiele dafür sind u.a. Arbeit außer Haus oder an Wochenenden, Bereitschaftsdienst, oder alleine arbeitende Ambulanzmitarbeiter:innen.

 

17.4 Wenn bekannte Risiken bestehen, erfolgen Hausbesuche nicht alleine.

Leitlinie: Bekannte Risiken können u.a. körperliche Risiken wie aggressive Patient:innen oder Tiere sein, können sich aber auch auf unsichere Gebäude oder Umgebungen beziehen. Es sollte nichts unversucht gelassen werden, um eine Risikobewertung vorzunehmen und Informationen von anderen Gesundheitsfachkräften einzuholen. Wenn möglich sollten bei Situationen mit bekannten Risiken die Besuche zusammen mit anderen Gesundheitsfachkräften erfolgen.

 

Gerätesicherheit

Standard 18

 

Alle Geräte sind sicher und zweckmäßig und gewährleisten die Sicherheit von Patient:innen, Pflegepersonen und Physiotherapeut:innen.

 

Kriterien

 

18.1 Bevor ein Gerät an dem/der Patient:in eingesetzt oder diesem/dieser ausgehändigt wird, erfolgt eine visuelle und physische Sicherheitsprüfung.

Leitlinie: Dies umfasst Routine-Prüfungen, etwa der Abnutzung von Elektroden oder Klemmen, des Ansaugdrucks, des Reifendrucks bei Rollstühlen, usw.. Physiotherapeut:innen haben die Verantwortung, Geräte, die nicht wie geplant gewartet wurden, zu berichten und sie, wenn notwendig, aus dem Verkehr zu ziehen.

 

18.2 Geräte werden für ihren vorgesehenen Zweck und nach der Anleitung des Herstellers eingesetzt.

Leitlinie: So werden z.B. Lasten tragende Geräte wie Rollstühle nur innerhalb ihrer Belastungsgrenzen verwendet.

 

18.3 Die Geräte werden nach Herstelleranleitung und den Bestimmungen der Infektionsvermeidung gereinigt.

Leitlinie: Dies betrifft Situationen, wo eine Reinigung vor jedem Einsatz an einem/einer neuen Patient:in notwendig ist. Gegenstände, die für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind, werden nicht wieder verwendet und gegenüber der ursprünglichen Herstellerspezifikation nicht verändert.

 

18.4 Festgestellte Mängel an Geräten werden berichtet.

 

18.5 Mangelhafte Geräte werden sofort aus dem Verkehr gezogen.

 

18.6 Der/Die Physiotherapeut:in setzt neue Leitlinien zur Gerätesicherheit aktiv um.

Leitlinie: Dies beinhaltet von der Regierung oder von Gesundheitsbehörden veröffentlichte Informationen.

 

18.7 Die Risiken des Hauseinsatzes von elektrischen Geräten durch die Patient:innen werden minimiert.

Leitlinie: Geräte sollten mit Schutzschaltern ausgestattet sein. Batteriebetriebene Geräte werden eingesetzt, wo immer dies möglich ist.

 

18.8 Der/Die Patient:in erhält Anweisungen zum sicheren Umgang mit dem ausgehändigten Gerät.

Leitlinie: Beispiele dafür sind TENS-Geräte, Gehhilfen, Halskrausen und Schienen. Die Anweisungen sollten klar und dokumentiert sein und dem/der Patient:in wenn möglich schriftlich übergeben werden.

 

18.9 Es gibt Aufzeichnungen über alle an Patient:innen verliehenen Geräte.

Leitlinie: Diese Aufzeichnungen beinhalten auch Details über sicherheitsrelevante Maßnahmen am Gerät vor der Weitergabe an andere Patient:innen.

 

18.10 Der/Die Physiotherapeut:in setzt lokal oder national veröffentlichte Gesundheits- und Sicherheitshinweise aktiv um.

 

Berufliche Fortbildung/ lebenslanges Lernen

Standard 19

 

Der/Die Physiotherapeut:in stellt seinen/ihren Fortbildungsbedarf fest.

Leitlinie: Berufliche Fortbildung (continuing professional development, CPD) ist jener Bildungsprozess, durch den Physiotherapeut:innen ihre Kenntnisse, ihr Wissen und ihre Kompetenzen entwickeln, um eine sichere und wirksame klinische Praxis zu gewährleisten. Es handelt sich um einen systematischen und zyklischen Prozess, der die gesamte Berufslaufbahn begleitet und die Arbeitsleistung des/der Physiotherapeut:in und die Versorgung der Patient:innen verbessert. Die Feststellung des Fortbildungsbedarfs erfolgt für gewöhnlich in Zusammenarbeit mit einem/einer Kolleg:in oder einem/einer Vorgesetzten.

„Lebenslanges Lernen und berufliche Fortentwicklung sind ein Kennzeichen eines/einer kompetenten Physiotherapeut:in. Die Teilnahme an der Fortbildung trägt zur Entwicklung und Erhaltung einer qualitativ hochwertigen Praxis bei.“ WCPT Grundsatzerklärung, 1995

Kriterien

 

19.1 Die Feststellung berücksichtigt:

  • Entwicklungsbedarf zur Verbesserung des gegenwärtigen Praxisumfangs und/oder zur Ausdehnung der Praxis in einen neuen klinischen Bereich oder einen Bereich, in dem seit längerem nicht mehr gearbeitet wurde
  • Feedback aus Leistungsdaten. Leitlinie: Leistungsdaten können z.B. laufende Statistikwerte, Prüfungsergebnisse oder die Analyse von Ergebnismessungen sein.
  • verpflichtende Erfordernisse. Leitlinie: Beispiele dafür sind Verhalten im Brandfall, Herz-Kreislaufreanimation und Training für manuelle Untersuchungen
  • Innovationen in der Praxis sowie technische Verbesserungen
  • Erfordernisse seitens der nationalen Regulierungs- und Zulassungsbehörden
  • Erfordernisse seitens der Organisation. Leitlinie: Das Wort „Organisation“ bezieht sich auf die ganze Bandbreite der Dienste, von einer Einzelpraxis bis zum großen Spital oder Rehabilitationszentrum.

Standard 20

 

Der/Die Physiotherapeut:in plant seine/ihre Fortbildung (CPD) und lebenslanges Lernen (LLL).

 

Allgemeine Leitlinie: Physiotherapeut:innen sollten an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen, um die Qualität der Patient:innenversorgung zu verbessern.

 

Kriterien

 

20.1 Es gibt einen schriftlichen Plan zur Feststellung des Fortbildungsbedarfs (Kernstandard 19).

 

20.2 Der Plan beinhaltet Lernziele.

Leitlinie: Lernziele sollten konkret, messbar, erreichbar, relevant und zeitlich definiert sein (specific, measurable, achievable, relevant, timed = SMART).

 

20.3 Der Plan definiert eine Reihe von Aktivitäten, die zur Erreichung des Lernziels führen.

Leitlinie: Diese Aktivitäten können beinhalten:

  • reflektierte Praxis
  • weitere formale Ausbildung, z.B. Master oder Doktorat
  • Lektüre relevanter Fachzeitschriften
  • Teilnahme an Bildungsveranstaltungen
  • vorübergehende Tätigkeiten in anderen Arbeitsbereichen, Begleitpraktika
  • berufsbegleitende Fortbildungsprogramme
  • unabhängiges Lernen
  • klinische Prüfung
  • Implementierung klinischer Leitlinien
  • Peer Review
  • Mentoring
  • Kontakt mit anderen spezialisierten Physiotherapiegruppen, Berufen oder Patient:innenorganisationen
  • Forschung
  • Austausch von Kenntnissen und Wissen mit anderen
  • klinische Supervision
  • Mitgliedschaft bei einer klinischen Interessenvertretung

 

Standard 21

 

Der Fortbildungsplan (CPD/LLL-Plan) wird implementiert.

 

Kriterien

 

21.1 Es gibt schriftliche Nachweise in einem CPD-Portfolio, die belegen, dass der Plan implementiert wurde.

 

21.2 Der Plan wird in geeigneter Weise geprüft.

Leitlinie: Dies wird normalerweise mit einem/einer Kolleg:in oder einem/einer Vorgesetzten innerhalb eines vereinbarten Zeitraumes durchgeführt.

 

21.3 Die CPD-Aktivität wird nach Beendigung nach folgenden Kriterien evaluiert:

21.3.1 Auswirkungen auf die Praxis des/der Physiotherapeut:in

21.3.2 Auswirkung auf den Dienstbereich, in dem der/die Physiotherapeut:in tätig ist

21.3.3 Auswirkungen auf die Praxis des physiotherapeutischen Berufs

 

21.4 Für die persönliche Lerntätigkeit wird geschützte Arbeitszeit vereinbart.

 

21.5 CPD-Tätigkeiten werden als Teil der Arbeitsbedingungen dokumentiert.

 

Standard 22

 

Der/Die Physiotherapeut:in evaluiert den Nutzen seiner/ihrer CPD/LLL-Aktivität.

 

Kriterien

 

22.1 Es gibt einen Nachweis über die Erreichung der Lernziele.

Leitlinie: Wenn die Lernziele nicht erreicht wurden, dann müssen die Gründe dafür besprochen und verstanden werden, um so zu einer neuen Feststellung des individuellen Lernbedarfs zu kommen.

 

22.2 Neue Lernziele werden entwickelt, um den zyklischen Prozess der CPD/LLL-Aktivitäten fortzusetzen.

 

22.3 Es gibt einen Nachweis, dass die Lernziele in einem Portfolio festgehalten werden.

 

22.4 Der/Die Physiotherapeut:in kann demonstrieren, dass der Lernprozess seine/ihre klinische Praxis verbessert und weiterentwickelt hat.